Das Nähen der Panels als Liebesdienst für die Verstorbenen ...

With Love and Respect

Liebevolle Arbeit an den Tüchern Liebevolle Arbeit an den Erinnerungstüchern in der Schneiderwerkstatt.

Beim Names Project Wien erfahren LebensgefährtInnen, Eltern, Freundinnen und Freunde von an AIDS Verstorbenen, daß sie nicht allein sind. Viele von ihnen finden in ihrer gewohnten Umgebung niemanden, mit dem sie sich aussprechen können: aus - leider allzuoft begründeter - Angst, Verwandte, Bekannte, oder Kollegen könnten erfahren, daß hier das HI-Virus im Spiel war. Das Names Project bietet ihnen Gelegenheit, über ihren Schmerz zu reden.

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Durch das Nähen der Erinnerungstücher erweisen die Hinterbliebenen ihren verstorbenen Menschen einen Liebesdienst. Für den einzelnen stellt das Nähen des Quilt einen Akt der Liebe, der Kreativität und der wachen Erinnerung dar. Für die Gemeinschaft ist die Arbeit am Quilt ein Ausdruck von Solidarität und Hoffnung, von Mitgefühl und Freude.

Im Herbst 1992 gegründet:

Das Names Project Wien

Erste Präsentation des österreichischen Quilt Erstmalige Präsentation des Quilt des Names Project Wien in der Wiener UNO-City am 1. Dezember 1992. Unter den interessierten Zuschauern der damalige Gesundheitsminister Dr. Außerwinkler.

Seit Herbst 1992 gibt es auch in Österreich ein NAMES Project, initiiert aus Eigeninitiative von Menschen, die Lebensgefährten, Kinder und Freunde durch AIDS verloren hatten, und die das Schweigen durchbrechen wollten indem sie ihre Liebe zu diesen Menschen in Erinnerungstüchern zum Ausdruck brachten. AIDS sollte auch in Österreich ein Gesicht, einen Namen bekommen, das Stigma und den Schrecken verlieren. Ein Schneider stellte zudem seine Werkstatt dem NAMES Project zur Verfügung. Seither ist diese Werkstatt Treffpunkt für LeidensgefährtInnen, wo entworfen und mit fachmännischer Unterstützung genäht, gestickt, aufgebügelt und Stoff bemalt wird. Es entstehen ebenso würdevoll schlichte Tücher wie fröhlich bunte - je nach Naturell der Verstorbenen und der Menschen, die ihrer mit einem sehr individuellen Stück Amateurkunst gedenken.

Nur wer vergessen ist, ist tot

Panel für Franz Der Panel für Franz, liebevoll gestaltet und genäht von seiner Mutter.

Durch das gemeinsame Arbeiten an Gedenktüchern wird scheinbar nicht verkraftbarer Schmerz mit anderen geteilt; das erleichtet, ihn zu überwinden. So fand z. B. eine Frau, die ihrem an AIDS erkrankten Sohn rat- und sprachlos gegenübergestanden war, hier die Gelegenheit zur Aussprache, die sie in ihrer Familie nicht hat. Hier traf sie Freunde ihres Sohnes, konnte erstmals offen über sein Leben sprechen und lernte allmählich, ihn zu verstehen und zu lieben. Als er gestorben war, nähte sie ein Gedenktuch, in der Mitte ein großes Porträtfoto, darunter sein Vorname und der Satz "Nur wer vergessen ist, ist tot". Seit 1992 wird der Quilt zu bestimmten Anlässen (Welt-AIDS-Tag, AIDS-Memorial-Day, Gay-Pride-Day, Ausstellungen) präsentiert. Nach amerikanischem Vorbild werden die Tücher nach einem festgelegten Ritual feierlich aufgebreitet; im Anschluß werden die Namen von Hinterbliebenen verlesen.

Der österreichische Quilt:

96 Tücher mit mehr als 360 Namen!

Österreich-Panel Panel mit 506 Knöpfen in der Landkarte Österreichs - zur Erinnerung an alle 506 bis 1992 Verstorbenen.

Bis dato sind im Rahmen der Trauerarbeit beim NAMES Project Wien 96 Tücher entstanden; auf den Tüchern stehen mehr als 360 Namen von Verstorbenen und halten die Erinnerung wach und lebendig. Der Quilt wird regelmäßig am AIDS Memorial Day, am Welt-AIDS-Tag, zur Regenbogenparade etc. präsentiert. Auf Anfrage leisten wir auch gerne Einladungen an Schulen Folge, um dort die Erinnerungstücher zu AIDS-Schwerpunktveranstaltungen mitzubringen und die Idee des NAMES Project vorzustellen.

Im Sommer 2010 sind in der Quilt-Factory, die im Global Village der Welt-AIDS-Konferenz in Wien insgesamt 124 Erinnerungstücher dazu gekommen. Die Abmessungen der Erinnerungstücher wurden gegenüber dem internationalen Vorbild auf ein Viertel – das heißt auf 1 x 0,5 m reduziert –, um eine realisierbare Umsetzung während der Konferenzwoche – 18. bis 23. Juli 2010 – zu gewährleisten. Das Angebot der QuiltFactory wurde erfreulicherweise äußerst gut angenommen. In den vier Konferenztagen entstanden 124 Erinnerungstücher, die in vier Quilt-Quadraten zu je 4 x 4 m zusammengenäht wurden. [Zu AIDS 2010 gibt es eine eigene Infoseite!]

Mit den bei der AIDS-Konferenz 2010 entstandenen Tüchern sind im österreichischen AIDS Memorial Quilt daher bisher insgesamt 220 Einzeltücher vereint, die auf 16 Quilt-Quadraten zusammengefasst sind!

Die Menschen hinter dem Names Project Wien:

Brigitte und Friedl

Brigitte Zika-Holoubek Brigitte Zika-Holoubek und ...
(Foto: Friedrich Jansenberger)

Friedl Nussbaumer Friedl Nussbaumer

Als am 19. Juni 1992 Friedl Nussbaumers Lebensgefährte Michael Handl an den Folgen von AIDS verstarb, war für Friedl klar, daß er seinem Freund ein Denkmal setzen wollte. Da er die Idee des Names Project aus den USA kannte, versuchte er, in seinem Freundeskreis engagierte Menschen zu finden, die gemeinsam mit ihm diesem Projekt auch in Österreich Leben einhauchen sollten. Erst durch die Mitarbeit vieler lieber Menschen - wie Brigitte Zika-Holoubek, Peter Haas, Peter Holub, Dieter Schmutzer, Kurt Krickler, Felix Görner u.v.a.m. - war es möglich, das Names Project Wien auch in Österreich mit Leben zu erfüllen. Vor allem die Freunde und Freundinnen aus der HOSI Wien brachten dem Projekt am Anfang die Unterstützung und die Liebe entgegen, um die ersten Tücher entstehen zu lassen. Überhaupt möglich war das Projekt aber erst durch die Möglichkeit, in einer professionellen Schneiderwerkstatt und unter fachmännischer Hilfe des dazugehörigen Schneiders Peter Holub arbeiten zu können. Peter hatte kurz zuvor selbst zwei Freunde durch AIDS verloren und stellte daher dem Names Project sofort seine Werkstatt zur Verfügung. Seither fanden viele trauernde Menschen den Weg in die Werkstatt und fanden dort Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Durch das verbindende Ziel, den Verstorbenen mit den Erinnerungstüchern ein Zeichen der Liebe zu setzen, wurde Trauer in kreative Energie umgewandelt. Gemeinsam konnte ein Weg aus einer aussichtslos scheinenden Situation gefunden werden...

Bis Sommer 1994 fanden in Peter Holubs Schneiderwerkstatt regelmäßig Treffen statt und es entstanden insgesamt 88 einzigartige Tücher, die verhinderten, daß geliebte Menschen in Vergessenheit gerieten.

Erfreulicherweise gingen wegen der neuen Behandlungsmethoden gegen Ende der 90er Jahre die Sterberaten bei den AIDS-Erkrankungen drastisch zurück - zumindest in Europa und den USA. Die unmittelbare Notwendigkeit nach gemeinsamer Trauerarbeit war demzufolge nicht mehr so dringlich, daher finden die Treffen in der Werkstatt nunmehr nur mehr nach Bedarf und Interesse statt. Der Schwerpunkt der Arbeit des Names Project Wien hat sich daher auf die Bildungs- und Medienarbeit verlegt. Mit etlichen Einladungen an Projektwochen in Schulen konnten gerade die jungen Menschen zum Thema AIDS sensibilisiert werden. Brigitte Zika-Holoubek weiß aus langjähriger Erfahrung um die Bedeutung solcher Veranstaltungen, da mit den Erinnerungstüchern - vor allem bei jungen Leuten - der persönliche Bezug hergestellt werden kann. Gerade dann, wenn verstanden wird, daß hinter jedem Tuch ein Mensch mit seiner Lebensgeschichte steht, den wiederum andere Menschen so sehr geliebt haben, daß sie ihm mit dem Panel ein Denkmal gesetzt haben, wird die Dimension von AIDS greifbar und erfahrbar.

Das Names Project Wien hat sich im Laufe der Jahre als Arbeitsgruppe der HOSI Wien etabliert. Über die HOSI Wien können Interessierte jederzeit Kontakt zum Names Project aufnehmen. Das Projekt wird seit seiner Entstehung von Brigitte Zika-Holoubek und Friedl Nussbaumer betreut. Für persönliche Anfragen kann jederzeit mittels E-Mail mit uns Kontakt aufgenommen werden. Auf E-Mails freuen sich Brigitte und Friedl!

Gedenkausstellung 1999:

With Love and Respect

Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien wurde im HOSI-Zentrum von Juni bis Oktober 1999 eine Gedenkausstellung gezeigt, die dem Andenken an die verstorbenen HOSI-Mitglieder gewidmet wurde. Diese Ausstellung trug den Titel „With Love and Respect“ und erinnerte an jene HOSI-Mitglieder, die bis 1999 an den Folgen von HIV/AIDS verstarben.

Die Texte und Bilder dieser wichtigen Ausstellung möchten wir auf unserem Website präsentieren und weiterhin zugänglich machen, da sie lediglich auf eine andere Weise die Idee des Names Project aufnimmt und im Grund die liebevolle Erinnerung an die Verstorbenen aufrecht erhält.

> zur Ausstellung

Bildnachweis: Sämtliche auf dieser Seite verwendeten Bilder stammen aus dem Names Project Wien Archiv.